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Unser Angebot bei Medikamentenabhängigkeit in der MEDIAN Klinik Richelsdorf

Gruppe für Medikamentenabhängigkeit

Epidemiologie und Behandlung bei schädlichem Gebrauch oder Abhängigkeit von Beruhigungsmitteln

Aus der Gruppe der Beruhigungsmittel sind Benzodiazepine (z.B. Diazepam, Valium, Lorazepam, Tavor …) die am häufigsten verordneten Substanzen. Einigkeit herrscht in der fachlichen Diskussion darüber, dass Benzodiazepine häufig viel länger als empfohlen verordnet werden (Schmidt u.a. 2006). Hoffmann u.a. wiesen zudem auf die zunehmende Verordnung von Beruhigungsmitteln auf Privatrezept hin, was die Schätzungen der Zahl der problematischen Dauerkonsumenten noch schwieriger macht. Im Jahrbuch Sucht 2011 wird eine geschätzte Zahl von 1,1 bis 1,2 Million Benzodiazepinabhängigen angegeben (DHS 2011).

Bereits 2006 wurde davon ausgegangen, dass etwa ein Drittel aller Verordnungen von psychotropen Arzneimitteln der Vermeidung von Entzugssymptomen und damit der Suchterhaltung dient (Hoffmann u.a. 2006).

Bei Benzodiazepinabhängigkeit ist eine Frühintervention bei beginnender Abhängigkeit im Vergleich mit der Behandlung einer jahrzehntelangen Abhängigkeit erfolgreicher (Vorma et al. 2005). Jedoch wird der schädliche Konsum in einem frühen Stadium vom Patienten selbst nur selten als eigenständiges Problem gesehen, da der Wirkungsverlust des Medikaments nicht als beginnende Abhängigkeit erkannt wird, sondern als Verschlechterung der primären Symptomatik gesehen wird und mit fortgesetzter Einnahme beantwortet wird. Die schädlichen Folgen einer Langzeiteinnahme sind jedoch erheblich und sollten dem Patienten vom Arzt verdeutlicht werden: Gedächtnisstörungen, Intoxikationen, Zunahme von Angst und Schlafstörungen, Dosissteigerungen, erhöhte Unfallgefahr (Poser u.a. 2006).

Medikamentenabhängige sehen sich oft nicht als „Süchtige“

Es gibt mehrere Gründe, warum Konzepte für die spezielle Behandlung von Medikamentenabhängigen entwickelt und ausgebaut werden und Medikamentenabhängige nicht nur stillschweigend mit Alkoholkranken mitbehandelt werden sollten. Sie grenzen sich von Alkoholikern ab. Dies führt dazu, dass sie sich, wenn sie vereinzelt in einer Gruppe mit vorwiegend Alkoholabhängigen behandelt werden, nicht ausreichend wahrgenommen fühlen und als nicht wirklich zugehörig.

Die hohen Komorbiditätsraten z.B. mit Angststörungen, depressiven Störungen, Borderline-Persönlichkeitsstörungen, posttraumatischen Belastungsstörungen bei Abhängigkeit von Sedativa/Hypnotika (Poser u. Poser 1996), aber auch orthopädischen Erkrankungen mit chronischen Schmerzsyndromen bei Analgetika-Abhängigkeit führen dazu, dass Medikamentenabhängige oft Schwierigkeiten haben, die Abhängigkeitsentwicklung als verselbstständigtes Krankheitsbild anzuerkennen und vorrangig mit dem Auftrag in die Behandlung kommen, die psychische Störung oder den Schmerz zu beseitigen, verbunden mit der Erwartung, dass damit die Rückfallgefahr bezüglich des Suchtmittels quasi automatisch ebenfalls wegfallen werde. Da Patienten Ängste oder depressive Verstimmungen als Auslöser des Suchtmittelkonsums oft benennen können („Bei mir ist es die Psyche …“), ist diese Erwartung nach unserer Erfahrung häufig.

Aufmerksamkeit von Beginn an auf Alternativen zum passiven Medikamentenkonsum lenken

Zu Beginn wird nach sämtlichen medikamentösen Behandlungs- und Selbstbehandlungsversuchen, aber auch nach Erfahrungen, anders als durch Medikamente auf die zugrunde liegenden Beschwerden Einfluss zu nehmen, gefragt, um Ressourcen zu erfassen und die Aufmerksamkeit von Beginn an auf die Alternativen zum passiven Medikamentenkonsum zu lenken.

Ergänzend wird der sogenannte „Selbsttest Medikamentenabhängigkeit“ nach Poser, Poser u. Rascher durchgeführt. Anhand der 24 Fragen bezüglich des Medikamentenkonsums, der Beschaffung und der Wirkungsveränderungen kann die Diagnose präzisiert werden. Gleichzeitig fördert das Ausfüllen des Fragebogens bereits eine ehrliche Bestandsaufnahme des Stadiums der eigenen Abhängigkeit.

Schmerzpatienten werden durch das Führen eines Schmerztagebuchs angeregt, täglich zu beobachten und festzuhalten, was – außer Medikamenteneinnahme – sich noch schmerzlindernd ausgewirkt hat und was sie sich ansonsten noch Gutes getan haben.

MEDIAN Klinik Richelsdorf Patienten bei Gruppentherapie

Die vereinzelte Mitbehandlung von Medikamentenabhängigen in einer Alkoholikergruppe ist nicht sinnvoll

In der MEDIAN Klinik Richelsdorf werden Medikamentenabhängige in einer speziellen Therapiegruppe behandelt, da die Sonderstellung des Medikamentenabhängigen in einer Gruppe mit vorwiegend Alkoholabhängigen seine Identifizierung mit der Suchterkrankung erschwert und außerdem eher zu Scheu führt, über die eigenen Probleme in ausreichendem Maß zu sprechen. Auch von therapeutischer Seite besteht die Gefahr, dass die Besonderheiten der Medikamentenabhängigkeit sowohl in der verlängerten Entzugsphase wie auch bei der Bearbeitung der Hintergründe der Suchterkrankung und der Erarbeitung von Maßnahmen zur Rückfallprophylaxe nicht ausreichend beachtet und thematisiert werden. In einer spezialisierten Behandlung verfügt der jeweilige Therapeut über ein breiteres Wissen und mehr Erfahrung in der Begleitung von Medikamentenabhängigen.

Für die Entwöhnung von Medikamentenabhängigen bedeutet dies:

Das Informationen sowohl zu psychobiologischen Hintergründen der Sucht sowie zu den teufelskreisartigen Zusammenhängen zwischen dem ursprünglichen Symptom und der Verstärkung der Symptomatik durch die Medikamenteneinnahme ausführlich thematisiert werden müssen, damit das vereinfachende Krankheitsmodell der Patienten nicht dazu führt, dass Rückfallgefahren verleugnet werden.

Auf die Behandlung der ursprünglichen Störung (z.B. Angststörung, Depression, chronischer Schmerz) muss während der Entwöhnung großer Wert gelegt werden, um die Alternativen zum Suchtmittelkonsum deutlich zu machen.
Bei Ängsten ist es in der Gruppe besonders wichtig, auf die Schädlichkeit von Vermeidungsverhalten hinzuweisen, damit die Mitpatienten Fortschritte des Angstpatienten und nicht sein Vermeidungsverhalten unterstützen.
Bei depressiven Störungen ist es neben einer akzeptierenden und geduldigen Grundhaltung besonders wichtig, auf die spezifischen Äußerungen von Fortschritten hinzuweisen (z.B. wenn der Fortschritt sich in erstmals „aggressiverem“ Verhalten äußert).

Der Gruppentherapeut hat darauf zu achten, wie die jeweiligen Krankheitsmodelle der Patienten sich auf ihre Integration in die Gruppe auswirken. Wenn z.B. ein medikamentenabhängiger Patient seinen Konsum nicht als „süchtig“, sondern eher als schädlichen Konsum einordnen möchte und dadurch (unausgesprochene) Zweifel hat, in der Gruppe „am richtigen Ort“ zu sein, dann ist es Aufgabe des Therapeuten, Verständnis für die Sichtweise des Patienten und Toleranz für Unterschiede in der Gruppe grundsätzlich zu fördern, ohne jedoch Verleugnungstendenzen bezüglich der Suchterkrankung Vorschub zu leisten.

Bei Medikamentenabhängigen ist die höherfrequente Einzeltherapie in den ersten Behandlungswochen besonders wichtig, insbesondere bei protrahierten Entzugssymptomen.  Möglichkeiten der Milderung der Symptome (Ruhelosigkeit, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen/Müdigkeit, Atemnot, Engegefühle, verändertes Geschmackserleben, Schwindel, akustische Überempfindlichkeit) werden im Einzelgespräch erklärt und eingeübt (siehe auch Kontrolltechniken im Rahmen des Symptommanagement-Trainings, in: Elsesser/Sartory (2001) S. 63).

Literatur:

DHS (2011) Jahrbuch Sucht 2011. Neuland Verlag Geesthacht. S. 22

Elsesser K, Sartory G (2001) Medikamentenabhängigkeit. Hogrefe Göttingen

Hoffmann F, Glaeske G, Scharfetter W (2006) Zunehmender Hypnotikaverbrauch auf Privatrezepten in Deutschland. Sucht 52 (6): 360–366

Poser W, Poser S (1996) Medikamente – Missbrauch und Abhängigkeit. Thieme Stuttgart

Poser W, Böning J, Holzbach R, Schmidt LG (2006) Medikamentenabhängigkeit (Sedativa, Hypnotika, Analgetika, Psychostimulanzien), in: Schmidt u.a. (2006) Evidenzbasierte Suchtmedizin, Behandlungsleitlinie Substanzbezogene Störungen. Deutscher Ärzteverlag, S. 281

Schmidt LG, Gastpar M, Falkai P, Gaebel W (Hrsg.) (2006) Evidenzbasierte Suchtmedizin, Behandlungsleitlinie substanzbezogene Störungen. Deutscher Ärzteverlag, S. 271

Vorma H et al. (2005) Predictors of benzodiazepine discontinuation in subjects manifesting complicated dependence. Subst Use Misuse, 40 499–510, in: Schmidt LG et al. (2006) S. 286

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