Symptome, Verlauf und Therapieziele
Depressive Störungen sind häufig durch folgende Hauptsymptome gekennzeichnet:
Zu den Zusatzsymptomen zählen verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit, Gedächtnisprobleme, vermindertes Selbstwertempfinden, Gefühle von Schuld- und Wertlosigkeit, negative sowie von Pessimismus geprägte Zukunftsperspektiven, erhöhte oder verminderte Erregbarkeit, Entscheidungsschwierigkeiten sowie suizidale Gedanken oder Impulse.
Zum sogenannten somatischen Syndrom zählen Früherwachen, morgendliches Stimmungstief, deutliche Veränderungen des Appetits und des Gewichts sowie ein deutlicher Verlust der Libido.
Typischerweise treten affektive Erkrankungen in Phasen auf. In etwa zwei Dritteln der Fälle sind die Phasen begrenzt durch unterschiedlich lange Episoden völliger Gesundheit. Bei etwa einem Drittel der Fälle tritt jedoch nur eine partielle Besserung der Beschwerden ein und etwa 15 % der Erkrankten bleiben schon nach der ersten Episode einer depressiven Störung chronisch depressiv.
Der wichtigste Prädiktor der Vorhersage von Rückfällen sowie des Wiedererkrankungsrisikos ist die Anzahl früherer depressiver Episoden. Daher ist die Prognose im Hinblick auf die Remission einer einzelnen Episode einer depressiven Störung gut. Dies gilt jedoch nicht für den Langzeitverlauf von depressiven Störungen, denn das Rückfallrisiko im Hinblick auf die Lebenszeit beträgt ohne Rezidivprophylaxe bei einer ersten depressiven Episode etwa 50 % und bei schwereren depressiven Episoden etwa 75 %.
Aufgrund der Häufigkeit des Auftretens sowie der Schwere depressiver Störungen zählt die Weltgesundheitsorganisation WHO die affektiven Erkrankungen zu den führenden Ursachen für eine durch die Erkrankung verursachte Beeinträchtigung des Lebens. Das Risiko, mindestens einmal im Leben an einer Majoren Depression zu erkranken, wird auf etwa 10 bis 18 % geschätzt. Die Menge der zu einem bestimmten Zeitpunkt an einer majoren Depression leidenden Personen beträgt etwa 7%, wobei Frauen etwa doppelt so häufig wie Männer erkranken. Die Erstmanifestation liegt bei etwa der Hälfte der Rehabilitanden vor dem 32. Lebensjahr, wohingegen Erstmanifestationen nach dem 55. Lebensjahr mit einem Anteil von etwa 10% der depressiv Erkrankten eher selten auftreten. Das Suizidrisiko bei stationär behandlungsbedürftigen Patienten mit rezidivierend auftretenden depressiven Episoden liegt bei etwa 15 %.
Die Vulnerabilität für affektive Erkrankungen ist in wahrscheinlich erheblichem Maße durch Erbfaktoren determiniert. Auslösend wirken häufig psychosoziale Stressoren, so dass u.a. eine häufig lerngeschichtlich bedingte, mangelnde Fähigkeit, Stress zu bewältigen, von hoher Bedeutsamkeit ist. Dies bildet die Grundlage der empirisch gesicherten Wirksamkeit von störungsspezifischen Psychotherapien bei der Behandlung von depressiven Störungen.
Als neurobiologische Faktoren dagegen werden Störungen im stressregulierenden neuroendokrinen System mit Folgen für den Stoffwechsel von bestimmten Neurotransmittern wie z.B. Noradrenalin, Serotonin und Dopamin angenommen. Diese Neurotransmitter bewirken Veränderungen im Hinblick auf die Funktion der Signale übermittelnden Systeme, mit Auswirkungen auf die sogenannte Neuroplastizität und Neuroneogenese des Gehirns. Hier setzt die biologische Behandlung mit stimmungsstabilisierenden Medikamenten an.
Sehr viele Rehabilitanden mit depressiven Störungen kommen mit komorbiden Schmerzsymptomen zur stationären Rehabilitationsbehandlung oder aber leiden unter einer gemischten Symptomatik aus psychischen und somatischen Symptomen.
Etwa zwei Drittel der Rehabilitanden mit einer majoren Depression klagen über körperliche Beschwerden wie z.B. gastrointestinale Beschwerden, Kopf-, Muskel- oder Rückenbeschwerden. Etwa 80 % dieser Rehabilitanden klagen außerdem z.B. über Schlafstörungen, körperliche Erschöpfung und somatische Funktionsstörungen.
Somit ist die Erkennung der die somatischen Phänomene auslösenden oder überlagernden affektiven sowie depressiven Symptomatik häufig Aufgabe eines psychosomatisch ausgerichteten Behandlungsteams. Dabei umfasst die Basisbehandlung folgende Aspekte:
Wir behandeln Rehabilitanden mit depressiven Erkrankungen sowie häufig gegebenen Komorbiditäten mit den daraus resultierenden Beeinträchtigungen.
Im Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit stehen bei der Rehabilitationsbehandlung unserer depressiven Rehabilitanden deren individuelle Bedürfnisse, denen wir mit einerseits höchstmöglicher beruflicher Professionalität und andererseits mit Transparenz sowie von Empathie getragener Wertschätzung begegnen.
Dabei ist unsere Haltung als Behandlungsteam von Achtsamkeit und gegenseitigem Respekt geprägt.
Nach aktuellem Wissenstand wirken bei der Entstehung affektiver Störungen biologische, psychische und soziale Faktoren wie z.B. Alter, Geschlecht, familiäre Belastung mit psychischen Erkrankungen, Kindheitsentwicklung und individuelle Vulnerabilität, Stressbelastung und Verarbeitung, berufliche und soziale Situation, psychosoziales Umfeld etc. zusammen.
Das bio-psycho-soziale Modell betont die Wechselwirkung der einzelnen Faktoren, so dass alle identifizierten Faktoren in der Therapie der Störung berücksichtigt werden sollten und sich auch dementsprechend in den Therapiezielen niederschlagen.
Zu den biologischen Faktoren oder Ursachen der Depression können u. a. erbliche Faktoren wie z.B. bestimmte Gene, die die Vulnerabilität für Depressionen erhöhen, gehören. Dazu gehören aber auch bestimmte körperliche Erkrankungen wie z.B. Hormonstörungen, etwa durch eine Schilddrüsenüber- oder -unterfunktion. Einige Studien betonen auch den Zusammenhang zwischen mangelnder körperlicher Aktivität/Bewegung und depressiven Verstimmungen.
Zu den psychologischen Faktoren gehört z.B. die Lerngeschichte (dysfunktionale Einstellungen und Bewertungen, die durch negative Erfahrungen ausgelöst und verstärkt werden), eine so genannte geringe Rate positiver Verstärkung (Mangel an positiven Erfahrungen und ein Überwiegen an negativen Erfahrungen), dazu können auch traumatische Kindheitserfahrungen wie der Verlust einer Bezugsperson oder eine emotionale Vernachlässigung gehören.
An sozialen Faktoren können z.B. Trennungen, Verlust von Angehörigen, Konflikte am Arbeitsplatz oder der Verlust des Arbeitsplatzes oder auch der Verlust sozialer Kontakte relevant sein.
Die individuellen Therapieziele der Rehabilitanden werden nach einer ausführlichen Problem- und Zielanalyse gemeinsam mit den Rehabilitanden erarbeitet und festgelegt.
Übergeordnete Therapieziele bestehen in einer Reduktion der depressiven Symptomatik sowie der Förderung sowie Wiederherstellung der Teilhabefähigkeit der Rehabilitanden.
Das Team der psychosomatischen Abteilung setzt sich zusammen aus dem Chefarzt (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, Rehabilitationswesen), einer Oberärztin (Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Schmerzmedizin, Rehabilitationswesen), zwei Stationsärzten, Diplom-Psychologen und Psychologischen Psychotherapeuten, einer Kunsttherapeutin und dem Pflegepersonal. Abteilungsübergreifende Mitarbeiter sind Physiotherapeuten, Masseure und medizinische Bademeister, Ergotherapeuten, Rekreationstherapeuten und mehrere Sozialdienstmitarbeiter. Aufgrund der sich im Hause befindenden Abteilungen Orthopädie und Rheumatologie, mit denen eine enge Zusammenarbeit besteht, ist eine interdisziplinäre Abklärung der facettenreichen und die Gebietsgrenzen überschreitenden Symptomatik der Rehabilitanden möglich.
Kunsttherapie: Zur psychotherapeutischen Abteilung gehört die Kunsttherapie, die indikationsgeleitet verordnet und von unserer Diplom Heilpädagogin-Kunsttherapeutin durchgeführt wird. Hierbei werden emotionale und gestalterisch-kreative Potenziale sowie Ressourcen der Rehabilitanden aktiviert und zur Bewältigung ihrer Beschwerden genutzt. Dieses Verfahren ermöglicht einen Zugang zu den Rehabilitanden, der unbewusste und vorbewusste Prozesse hervorhebt und diese bearbeitet. Die Auseinandersetzung mit den ästhetischen Objekten fördert eine Sensibilisierung und Differenzierung der Wahrnehmung des Rehabilitanden.
Zur Förderung des eigenverantwortlichen Handelns nehmen die Rehabilitanden zusätzlich am freien Werken teil. Dabei stehen der eigenständige Arbeitsaufbau, das Durchhaltevermögen sowie der selbständige Arbeitsabschluss eines künstlerischen Projektes (bspw. malerisch/zeichnerisch/plastisch/bildhauerisch) im Vordergrund der Aktivität des Rehabilitanden.