Wuhan, Anfang Dezember 2019: Zum ersten Mal treten in der chinesischen Stadt Fälle einer bisher unbekannten Lungenentzündung auf – ein Virus, das sich rasch verbreitet und rund acht Wochen später Europa und schließlich Deutschland erreicht. Während man anfangs glaubt, die Ausbreitung unter Kontrolle zu haben, wird Ende Februar mit dem Auftreten weiterer Fälle in mehreren Bundesländern klar: Die Lage ist ernst. Am 27. Februar spricht die Weltgesundheitsorganisation erstmals vom „pandemischen Potenzial“ des Virus. Am selben Tag, zeitgleich mit der Bundesregierung, rufen die MEDIAN Kliniken, Deutschlands größter privater Betreiber von Rehabilitationseinrichtungen, ihren Corona-Krisenstab ins Leben – morgen vor genau 100 Tagen.
100 Tage, in denen die Mitglieder des siebenköpfigen Stabes in ständigem Austausch stehen. Über die Ausbreitung des Virus, die Erkenntnisse des Robert Koch-Instituts (RKI) und die Einschätzung von Virologen, vor allem aber über die Frage: Wie können wir Patienten und Personal vor Covid-19 schützen und gleichzeitig die Rehabilitation auf hohem Niveau halten? „Uns war klar: Nur wenn wir von Anfang an alle relevanten Abteilungen ins Boot holen und gemeinsam Lösungen suchen, haben wir eine Chance, MEDIAN gut durch diese Krise zu steuern“, sagt COO Dr. Florian Frensch, der zusammen mit CDO Dr. Benedikt Simon die Geschäftsführung des Unternehmens im Krisenstab vertritt. „Nur mit der geballten Expertise unserer Kliniken, Mediziner, Hygienefachkräfte, Qualitätsmanager, Einkäufer, Service- und Kommunikations-Experten finden wir in dieser beispiellosen und für uns alle komplett neuen Situation die beste Strategie.“ Einer der ersten Schritte ist daher das Aufsetzen täglicher Telefonkonferenzen, in denen die Kliniken sich austauschen und gemeinsam die richtigen Antworten auf die Herausforderungen der Krise gefunden werden.
Jeder Tag bringt neue Herausforderungen – dann kommt der erste Ausbruch
Anfangs ist vor allem der Einkauf gefordert: 120 Kliniken und Einrichtungen, verteilt über ganz Deutschland, müssen rasch mit Schutzmaterial versorgt werden, trotz weltweiter Lieferengpässe. Von Januar bis einschließlich April 2020 werden es schließlich rund 65.000 FFP2-Masken, 466.000 Schutzkittel, 1,3 Millionen Mund-Nasen-Schutze, 6 Millionen Paar Schutzhandschule und 42.000 Liter Desinfektionsmittel sein – so viel wie ein mittelgroßer Swimmingpool fasst –, die für die Häuser der Klinikgruppe beschafft werden.
An allen Standorten werden Personal und Patienten für Hygiene sensibilisiert. Wer seine Reha antreten will oder aus dem Urlaub zum Dienst zurückkehrt, muss nun Auskunft über den Aufenthalt in Risikogebieten, Krankheitssymptome und den Kontakt zu Infizierten geben, wie es das RKI vorsieht. Und MEDIAN geht sogar noch weiter: „Nachdem wir Anfang März die ersten Infektionen bei Mitarbeitenden hatten, die in Tirol im Urlaub gewesen waren, haben wir nicht nur direkte, sondern auch sogenannte Kontakte zweiten Grades und Symptomträger unter den Beschäftigten getestet“, so Dr. Florian Frensch.
Trotz aller Vorsicht kommt es Ende März zum ersten – und bisher einzigen derart folgeschweren – Ausbruch in der MEDIAN Klinik Hohenlohe Bad Mergentheim: Nachdem zwei Patienten in der geriatrischen Abteilung mit Symptomen auffallen, wird beim anschließenden Massentest festgestellt, dass rund die Hälfte aller Patienten und Mitarbeiter mit dem Corona-Virus infiziert ist. „Das waren schwierige Tage“, sagt Dr. Benedikt Simon. „Das Team der Klinik hat Außerordentliches geleistet, benachbarte MEDIAN Häuser haben Personal zur Unterstützung geschickt, alle wurden mit Schutzkleidung versorgt. Schon eine Woche nach dem Ausbruch war der Großteil der Patienten sicher nach Hause entlassen, betroffene Mitarbeiter in Quarantäne.“ Durch eine sorgfältige Analyse des Ausbruchs wird viel gelernt; weitere Hygienemaßnahmen werden entwickelt und rasch in den Kliniken umgesetzt. Bereits in der zweiten Aprilwoche werden alle Mitarbeitenden mit Schutzmasken versorgt, kurze Zeit später auch alle Patienten – lange bevor dies in den meisten anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens geschieht. „Wir haben als Unternehmen schnell dazugelernt und ein Hygienemanagement aufgebaut, das das höchste Niveau am Markt bietet“, so Dr. Simon.
Das belegen die Zahlen: Seit Ausbruch der Pandemie wurden bei MEDIAN rund 30.000 Menschen behandelt, doch nur in drei Kliniken infizierten sich mehr als drei Patienten. „100 Prozent Sicherheit wird es auch in den nächsten Monaten nicht geben. Wichtig ist aber, dass jeder Ausbruch dank unserer Hygienemaßnahmen rasch eingedämmt werden konnte“, resümiert Dr. Florian Frensch.
Post-Corona-Rehabilitation als aktiver Beitrag zur Krisenbewältigung
Doch MEDIAN will mehr tun und einen aktiven Beitrag zur Bewältigung der Krise leisten. „Nach einer schweren Corona-Infektion leiden die Betroffenen häufig unter massiven physischen und psychischen Beeinträchtigungen“, berichtet Dr. Benedikt Simon. „Um ihnen nachhaltig zu helfen, hat MEDIAN schon früh innovative Gesundheitsangebote entwickelt.“ Bereits im März beginnen Mediziner der Klinikgruppe, in interdisziplinärer Zusammenarbeit verschiedene Post-Corona-Rehabilitationen zu konzipieren – für Menschen, die eine Infektion durchlebt haben, aber auch für jene, die indirekt unter der Pandemie leiden. Neben einer umfassenden Post-Corona-Reha entstehen Konzepte mit den Schwerpunkten Pneumologie, Psychosomatik und Sucht, die einheitlich in allen MEDIAN Kliniken mit entsprechender Indikation angeboten werden. Schon Anfang April starten die ersten Patienten (median-kliniken.de/patienten-angehoerige/informationen-zu-corona).
Flächendeckende Tests für höchste Sicherheit
Mitte Mai: Während sich Deutschland langsam wieder öffnet, ist den Verantwortlichen bei MEDIAN klar, dass sie angesichts der Lockerungen nun noch entschiedener gegen das Virus vorgehen müssen. Bei allen neuen Patienten wird jetzt ein Corona-Test durchgeführt. „In den vergangenen Tagen haben wir mehr als 4000 Personen symptomfrei getestet, die anschließend dank negativem Ergebnis beruhigt ihre Reha antreten konnten“, zieht Dr. Frensch eine Zwischenbilanz.
Wie wichtig die Behandlung akuter Leiden mit anschließender Rehabilitation auch in Corona-Zeiten ist, betonen Experten inzwischen immer lauter. „Herzinfarkte, Schlaganfälle, psychosomatische und Sucht-Erkrankungen, aber auch die Leiden von Kindern und Jugendlichen: Es wäre fatal, wenn all dies im Schatten von Covid-19 unbehandelt bliebe“, unterstreicht Dr. André M. Schmidt, Vorsitzender der MEDIAN Geschäftsführung, bereits auf dem Höhepunkt der Krise – und appelliert an die Politik, Reha-Einrichtungen noch stärker als Teil der Corona-Versorgungslandschaft zu nutzen.
„Die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, wie systemrelevant Reha-Kliniken bei der Krisenbewältigung sind: Sie haben Kapazitäten zur Entlastung der Akuthäuser geschaffen – und sie bieten Nachsorge für Corona-Patienten, die dadurch wesentlich besser genesen“, so CEO Dr. Schmidt. „Trotzdem sollten Reha-Einrichtungen zu Beginn der Pandemie im März zunächst geschlossen werden. Im April dann erkannte die Politik, dass wir die Krise – auch dank der Reha – in Deutschland deutlich erfolgreicher bewältigen als andere Länder.“
Dennoch trifft Corona auch MEDIAN hart. Durch das Aussetzen planbarer Operationen können viele Patienten ihre Reha nicht antreten. Hinzu kommt, dass Betten aufgrund der angeforderten Kapazitäten zur Entlastung der Akuthäuser nicht belegt werden können – eine „Notreserve“, die letztlich nicht benötigt wird, da die Pandemie Deutschland weniger hart trifft als erwartet.
„Trotzdem haben wir im Vergleich zu anderen Betreibern, die teilweise komplett geschlossen haben, auch in der Krise weiter einen Beitrag zur Versorgung der Menschen geleistet“, sagt Dr. Schmidt. „Vor allem Betroffene mit Suchtproblemen konnten wir weiter unterstützen, aber auch Menschen nach Schlaganfällen und anderen schweren Erkrankungen in unseren neurologischen Kliniken. Und unsere Soziotherapien liefen und laufen dank umfassender Hygienekonzepte bei 100 Prozent Belegung bisher ohne einen einzigen Corona-Fall. Dennoch erhalten wir bis heute keine finanzielle Unterstützung für die von uns eingeführten Hygienemaßnahmen.“ Auch mit dem Thema Kurzarbeit und der Schließung einzelner Häuser musste der Konzern sich auseinandersetzen. 6000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gingen vorübergehend in Kurzarbeit; fünf Kliniken mussten zeitweise schließen und werden nun nach und nach wieder öffnen.
„All das zeigt: Die akute Krise haben wir hervorragend bewältigt“, resümiert Dr. André M. Schmidt. Nun gelte es – besonders mit Blick auf die Corona-Lockerungen – Rückschläge zu vermeiden. „Und wir müssen mittel- und langfristige Lösungen finden, um Rehabilitation künftig auch mit voller Belegung und gleichzeitiger voller Sicherheit für Patienten und Mitarbeiter möglich zu machen. Es wird in Zukunft eine neue Kultur in Rehakliniken und -einrichtungen geben. Bei der Etablierung neuer Standards, Verhaltensweisen und Abläufe möchten wir ganz weit vorne stehen.“