Es kann ein Gerücht sein, das leise in die Welt gesetzt wird, oder lautes Gebrüll vor versammelter Mannschaft – manchmal auch zermürbendes Schweigen. Die verantwortungsvolle Aufgabe bekommt von heute auf morgen eine andere. Und den Schreibtisch im hellen Büro mit den netten Leuten braucht dringend ein Kollege; nur im Kabuff neben dem Kopierer ist im Moment noch Platz. Mobbing kann viele Gesichter haben, von offener Schikane bis zu subtiler sozialer Ausgrenzung. Um dem entgegenzuwirken und auf die Folgen für Betroffene aufmerksam zu machen, haben die Vereinten Nationen vor acht Jahren den „Anti-Bullying Day“ ins Leben gerufen, der in Deutschland als Behaupte-Dich-gegen-Mobbing-Tag am 22. Februar begangen wird.
„Treffen kann es jeden“, sagt Moritz Holz, der als Leitender Psychologe an der MEDIAN Klinik Berus Mobbingopfer behandelt. „Am Anfang steht meist ein Konflikt, der lange ungelöst schwelt und irgendwann eskaliert.“ Kommen dann noch ein schlechtes Betriebsklima, Existenzängste, Arbeitsüberlastung oder persönliche Probleme hinzu, ist der Nährboden für Mobbing bereitet. „In rund der Hälfte der Fälle sind Vorgesetzte beteiligt, die entweder selbst Täter sind oder bei Mobbing durch andere nicht eingreifen“, berichtet Moritz Holz. Dass es soweit überhaupt komme, habe wiederum mit der Unternehmenskultur zu tun. „Wird mit dem Thema offen umgegangen? Werden Führungskräfte sensibilisiert? Gibt es Anlaufstellen für Betroffene, Mediatoren oder entsprechende Betriebsvereinbarungen?“, zählt der Psychologische Psychotherapeut auf. „Arbeitgeber können viel tun, um hier vorzubeugen.“
Lernen, Konflikte besser zu bewältigen
Wie schwerwiegend die Folgen für Betroffene sein können, erlebt Moritz Holz bei seiner Arbeit mit den Patientinnen und Patienten in der MEDIAN Klinik Berus. Zu ihm kommen Menschen, die in Folge von Mobbing krank geworden sind, die unter psychosomatischen Beschwerden wie Schlafstörungen, Grübeln, Stimmungsschwankungen, Konzentrationsschwierigkeiten oder Schmerzen leiden. „Nicht selten chronifizieren diese Beschwerden und werden zu ausgeprägten Depressionen mit Suizidgedanken oder Angststörungen“, sagt er.
In der Rehabilitationsklinik lernen die Betroffenen, sich von dem belastenden Geschehen emotional und gedanklich zu distanzieren. Dabei helfen neben Gesprächen mit Psychologen und Therapeuten zum Beispiel Entspannungstraining, Atemtherapie, Sport und Bewegung. Erst nach dieser ersten Therapiephase geht es an die Aufarbeitung des Geschehens: Was genau ist eigentlich passiert – welchen Anteil hatten andere daran, welchen ich selbst? Wie kann ich Konflikten in Zukunft besser begegnen, Stress besser bewältigen? Und wie finde ich zu mehr Lebensfreude und Lebensqualität zurück?
Wie viele Menschen von Mobbing im Job betroffen sind, lässt sich nur schätzen. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz geht von mehr als einer Million Arbeitnehmern in Deutschland aus, die Gewerkschaft Verdi sogar von 1,8 Millionen. Sie schätzt den volkswirtschaftlichen Schaden durch gezielte Schikane auf bis zu 25 Milliarden Euro. Grüne und Linke wollen Mobbingopfern nun per Gesetz den Rücken stärken, den Begriff klar definieren und die Durchsetzung von Entschädigungen und Schmerzensgeld erleichtern. Während dies in Deutschland bisher schwierig ist, erregte in Frankreich ein Urteil gegen drei Manager der France Télécom Aufsehen, denen ein Gericht die Mitschuld an den Selbstmorden von 35 Beschäftigten gab. Im Zuge eines harten Sparkurses hätten sie ein „Klima der Angst“ geschaffen, um tausende Eigenkündigungen zu provozieren, so die Richter. Angestellte erhielten über Nacht neue Aufgaben, Vorgesetzte wurden an der Zahl der abgebauten Stellen gemessen.
„Viele Mobbingopfer haben tatsächlich den Wunsch nach gerichtlicher Klarstellung“, hat Moritz Holz bei seinen Patienten beobachtet. Wichtiger noch als Genugtuung findet er aber Prävention: „Arbeitgeber dürfen Mobbing auf keinen Fall dulden“, so der Appell des Experten. Damit es gar nicht erst so weit kommt, dass Menschen durch Mobbing krank werden.