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Über die Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen – Prof. Dr. Doering im Interview

Prof. Dr. Doering ist seit Oktober 2022 bei MEDIAN tätig und seit November 2023 Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendliche. Als ausgebildeter Kinder- und Jugendpsychotherapeut sowie Erwachsenenpsychotherapeut bringt er seine Expertise in den Klinikalltag ein. Im Interview gibt er Einblicke in die Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen, aktuelle Herausforderungen und moderne Therapiemethoden.

Prof. Dr. Doering, welche Erkrankungen behandeln Sie am häufigsten bei Kindern und Jugendlichen in Ihrer Klinik?

Neben Adipositas und ADHS gehören die sozialen und emotionalen Störungen zu den häufigsten Aufnahmediagnosen. Diese Erkrankungen wirken sich stark auf das Sozialleben und auch auf die schulischen Leistungen aus. Wir behandeln auch viele Kinder mit psychosomatischen Erkrankungen, zum Beispiel chronischen Schmerzstörungen wie Kopfschmerzen, Rückenschmerzen und Bauchschmerzen,  die auch dann sehr häufig mit Ursache sind von Schulvermeidungen.

Wie wichtig ist es, auf die emotionale und psychische Verfassung der Kinder während der Rehabilitation einzugehen?

Das sehe ich als enorm wichtig an. Viele Kinder kommen mit emotionalen Problemen zu uns, sei es Rückzug vom sozialen Leben oder aggressives Verhalten. Wir müssen jedes Kind dort abholen, wo es steht und uns intensiv um das emotionale Wohlbefinden kümmern, um eine erfolgreiche Therapie zu gewährleisten. Besonders die ersten Tage sind herausfordernd, wenn die Kinder von ihren Eltern getrennt werden und sich in der neuen Umgebung zurechtfinden müssen.

Wird der Therapieplan für jedes Kind individuell erstellt?

Jedes Kind wird am Anreisetag körperlich und psychisch untersucht. Daraufhin werden gemeinsam mit den Eltern die konkreten Therapieziele festgelegt. Wichtig ist, dass wir uns an den individuellen Bedürfnissen und Problemen der Kinder orientieren. Neben Gruppentherapien, in denen die Kinder lernen, mit ihren Problemen umzugehen und zu erkennen, dass sie damit nicht alleine sind, bieten wir in besonderen Belastungssituationen Krisengespräche zur Klärung und Deeskalation der Problematik an.

Welche Vorteile bietet die Rehabilitation in altersgleichen Gruppen?

Altersgleiche Gruppen bieten enorme Vorteile für die psychische und soziale Entwicklung der Kinder, da die Problemlagen und Reifungsprozesse in ähnlichem Alter oft vergleichbar sind. Die Kinder lernen viel voneinander, sowohl in Bezug auf kognitive als auch emotionale Entwicklung. Die gemeinsame Bewältigung von Herausforderungen fördert die Frustrationstoleranz und das Durchhaltevermögen. Diese Fähigkeiten sind entscheidend, um Rückschläge zu bewältigen, sei es schlechte Noten oder persönliche Kritik, und trotzdem weiterzumachen. Der rehabilitative Prozess ist ein langfristiger, in dem Kinder lernen, sich selbst und ihre Reaktionen auf andere besser zu verstehen.

Dabei ist wichtig, dass die Erzieher*innen der Klinik die Dynamik zwischen den Kindern beobachten und bei Bedarf eingreifen. Soziale Interaktionen, sowohl positive als auch negative, erfordern ein hohes Maß an Aufmerksamkeit. Die Betreuenden übernehmen dabei eine Art Elternfunktion und sind immer für die Kinder da.

Welche Rolle spielen Freizeit- und Erlebnisangebote im Genesungsprozess?

Freizeit- und Erlebnisangebote, wie das therapeutische Boxen oder der Kontakt mit Tieren, spielen eine wichtige Rolle im Genesungsprozess. Aktivitäten wie Boxen helfen den Kindern, ihren Stress besser abzubauen und ihre Aggressionen zu regulieren. Sie lernen, wie sie ihre Stresslevel kontrollieren und wie sie ihre aggressiven Impulse besser managen können.

Wie werden Eltern in den Therapieprozess eingebunden?

Die Eltern werden intensiv in den Therapieprozess eingebunden. Ein Beispiel dafür ist das Elterntraining, bei dem wir heute beispielsweise das Thema „Wutanfall meines Kindes" besprochen haben. Es geht darum, den Kreislauf von Wut, Ärger und Streit zu durchbrechen, der sich oft über Monate oder Jahre hinweg entwickelt hat. Eltern lernen, wieder in eine positive Bindung mit ihrem Kind einzutreten, ihre manchmal gereizte Haltung zu überwinden und auch kleine positive Schritte des Kindes sofort mit einem Lob zu belohnen.

Begleiteltern müssen oft ihre eigenen Verhaltensmuster reflektieren, bevor sie in einen Konflikt mit ihren Kindern eintreten. Das Verständnis für die eigenen Emotionen und die Fähigkeit, in angespannten Momenten innezuhalten, sind entscheidend. Zudem bieten wir Schulungen für Begleiteltern an, um sicherzustellen, dass sie aus den verfestigten Kommunikationsmustern ausbrechen und neue Perspektiven zu ihren Kindern gewinnen. Besonders für alleinerziehende Eltern oder Eltern, die psychotherapeutisch betreut werden, ist diese Unterstützung wertvoll.

Haben Sie ein besonderes Erfolgserlebnis, von dem Sie erzählen möchten?

Langfristige Erfolge sehen wir oft darin, dass Kinder und Jugendliche nach der Rehabilitation wieder in ihre sozialen und schulischen Umfelder integriert werden können. Ein Beispiel ist ein 14-jähriges Mädchen, das aufgrund von Mobbing und Panikattacken anderthalb Jahre nicht mehr zur Schule gegangen war. Bei uns haben wir mit einem Schulbesuchsstufenmodell angefangen, sie zunächst nur 10 Minuten in die klinikeigene Schule zu begleiten. Im Laufe der Zeit, auch durch den Kontakt mit einem anderen Jugendlichen in der Gruppe, konnte sie ihre Schulzeiten Schritt für Schritt verlängern. Am Ende ihres sechs Wochen langen Aufenthalts verbrachte sie den ganzen Vormittag in der Schule und nahm sogar online am Unterricht ihrer Heimatschule teil. Das war ein großer Erfolg für die Jugendliche und auch ihre Familie war sehr dankbar.

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